Pamela Luckau: lesen

Neulich beim Kunden ...

Talent und Potential

Wenn beim Sicherheits-Check am Flughafen Seile, Augenbinden oder Playmobil-Figuren im Handgepäck zum Vorschein kommen, tippen die meisten Sicherheitsbeamten beim Erraten des Berufs auf Kindergärtnerin. Volltreffer?

Nun, wenn alle Kindergärtnerinnen und Kindergärtner als ausschließlich diejenigen bekannt wären, die zugegeben altersmäßig noch sehr jungen Menschen beim Entdecken ihrer Potentiale und Talente unterstützen, dann ließe ich mir diese Zuschreibung grinsend gefallen. Der Vergleich liefert aber auch einen Eindruck davon, wie mancher Zeitgenosse auf Methoden aus der Teamentwicklung schaut: Mit Argwohn, mit Spott oder vielleicht sogar mit Ironie? Was also ist dran und was ist die beste Absicht eines Trainers, derlei Werkzeuge zum Beispiel in einer Teamentwicklung einzusetzen?
Mal ganz unabhängig von der Beobachtung, dass diese Methoden in verschiedenen Trainingsrichtungen wie etwa der systemischen Beratung begründet sind, stiften sie einen zentralen Nutzen: Sie erlauben dem Teilnehmerkreis, eine Erfahrung in der Zeit an einem bestimmten Ort zu sammeln, die anschließend auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit den Erfahrungen im Arbeitsalltag überprüft werden können. Das bedeutet, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine konkrete Erfahrung im Seminarraum teilen. Wie diese dann auf den Alltag übersetzt oder übertragen wird, liefert mir als Trainerin und den Teilnehmern Erkenntnisse darüber, wie der spezifische Teilnehmer tagtäglich ›guckt‹.

Der Zeitpunkt des Einsatzes kann je nach Fragestellung des Kunden oder den Wünschen der Teilnehmer am Beginn des Trainings liegen und eine Anamnese über den Status-quo liefern, in der zeitlichen Mitte einen Messpunkt bieten, inwiefern die vermittelten Inhalte bereits Teil des Verhaltensspektrums sind oder aber zum Ende hin Hauptherausforderungen für jeden Einzelnen bei der Umsetzung der Trainingsinhalte identifizieren. Mit anderen Worten: Es gibt in meiner Erfahrung keine genuin ›richtigen‹ Verläufe von Übungen aus der Teamentwicklung – spannend wird es, wenn sich die Teilnehmerschaft nach Durchführung etwa brennend interessiert dafür zeigt, wie es denn ›richtig hätte sein sollen‹. Sichtbar gemacht verrät genau das allen Anwesenden mehr über die Art und Weise der Zusammenarbeit der im Raum versammelten als es ein theoretisches Modell je könnte – eine Perspektive, die sowohl für Entscheider als auch Mitarbeiter lohnt, weil sie die Wirksamkeit der Zusammenarbeit, die Problemidentifizierungsbereitschaft und Lösungsfähigkeit in Gruppen zutage treten lässt.

Das berühmte ›Wir machen im Sommer immer alle mal was zusammen!‹ weist zwar den Weg in ebenjene Richtung, unterliegt aber zuweilen unbewusst der weitreichenden Prämisse, dass tatsächlich alle Interesse daran haben, Zeit in Gemeinschaft zu verbringen. Mit einer Teamentwicklung bietet sich eine strukturierte und auch hochwirksame Möglichkeit, der Frage nach der Ausrichtung in der Zusammenarbeit auf die Spur zu kommen und sie sodann im Sinne der Anliegen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer so zu verhandeln, dass jede und jeder den ihr und ihm gewünschten Platz einnehmen kann. Wenn Sie im Alltag merken, dass Sie Ihrem Vorgesetzten oder den Kollegen Namen geben, könnte das ein erster Indikator sein, dass die Zusammenarbeit nicht wirksam geklärt und verhandelt ist. Vielleicht nehmen dann Sie selbst mal Playmobil-Figuren mit in den nächsten Jour Fixe!?

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