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Neulich mit Freunden ...

Achtsamkeit: Die psychologische Seite von Ruhe und Besinnlichkeit

Neulich sprach ich mit einer Freundin über den Beginn der Weihnachtszeit und sie erzählte mir, dass sie von ihrer Schwester einen wunderschönen Adventskalender geschenkt bekommen habe. Dieser bestehe aus 24 kleinen Zettelchen, die jeden Tag eine andere besinnliche Aufgabe bereithalten, wie z.B. „Mache dir einen Tee und genieße ihn bewusst ohne dabei etwas anderes zu tun“, „Setze dich zehn Minuten lang bequem hin und konzentriere dich nur auf deine Atmung“ oder „Schreibe fünf Dinge auf, für die du dankbar bist“. Mir fiel auf, dass der Kalender im Endeffekt genau die Dinge bewusst empfiehlt, für die wir im Alltag vermeintlich keine Zeit haben. Oder eher Dinge, für die wir uns im Alltag keine Zeit nehmen. Menschen, die sich die Zeit für diesen kleinen Dinge nehmen, verhalten sich gegenüber sich selbst bewusster, denn sie hören darauf, was ihr Körper und ihr Geist ihnen mitteilt. Diese bewusste Beobachtung der eigenen Bedürfnisse nennt man im psychologischen Jargon Achtsamkeit, oder im Englischen mindfulness.

Der Begriff der Achtsamkeit stammt aus dem Buddhismus, und zwar genauer aus der ältesten noch praktizierten Schultradition, dem Theravada (Schule der Ältesten). Es handelt sich dabei um eine meditative Grundpraxis, die vier Prinzipien folgt: Achtsamkeit soll gelenkt werden auf den Körper, die Gefühle bzw. Empfindungen, den Geist (z.B. ob man konzentriert oder abgelenkt ist) und die Geistesobjekte (alle äußeren und inneren Dinge, die man in genau diesem Moment wahrnimmt). Achtsamkeit folgt also einem meditativen Ansatz der Entspannung durch Konzentration der eigenen Aufmerksamkeit auf wichtige innere Vorgänge.

Wir stellen fest, dass Achtsamkeit also viel mehr kann, als nur durch einen Kalender Anregungen zur Entspannung zu geben. Sie hat mittlerweile sogar Einzug gehalten in die psychotherapeutische Praxis! Im Westen etablierte der studierte Molekularbiologie Jon Kabat-Zinn die Achtsamkeit, inspiriert durch eine Vorlesung eines Reporters bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, der in einem japanischen Kloster Zen-Mediation erlernte. Er definierte Achtsamkeit 1990 als eine spezifische Form der Aufmerksamkeitslenkung, die absichtlich auf den aktuellen Moment gerichtet ist, und dabei keine wertende Haltung einnimmt. Einfacher ausgedrückt: Durch die bewusste ruhige, nicht wertende Analyse des Moments können wir unseren inneren „Autopiloten“ ausschalten. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen gerade im Auto und gehen im Kopf die endlose Liste an Dingen durch, die für den kommenden Tag anstehen. Genau dann sind Sie im Autopiloten-Modus und nicht achtsam gegenüber Ihrer Umgebung und Ihren Gefühlen.

Basierend auf seinen Erfahrungen entwickelte Kabat-Zinn ein achtsamkeitsbasiertes Therapieprogramm: Die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBRS). Es handelt sich um ein achtwöchiges Programm als Reaktion auf die verschiedensten Krankheiten, um Stress und negative Gefühle im Zusammenhang damit abzubauen. Dabei wird beispielsweise folgende Übung durchgeführt: Der ganze Körper wird Körperteil für Körperteil bewusst wahrgenommen. Zuerst die Beine, dann die Arme, dann Bauch, Rücken, Kopf etc. Es soll bewusst auch Nicht-Empfindungen geachtet werden. Im Verlauf des Programms bekommen die Patienten Hausaufgaben. Ein Beispiel: Eine Aktivität am Tag soll bewusst unter voller Achtsamkeit durchgeführt werden, z.B. Duschen, Essen oder Zähne putzen. Sowohl in Einzelstudien als auch in quantitativen Übersichtsarbeiten hat sich die MBRS als wirksames Therapieprinzip erwiesen (Heidenreich & Michalak, 2003).

Was können wir nun aus diesen Erkenntnissen für unseren Alltag und die kommenden Tage lernen? Besonders zu Weihnachten sollten wir mehr darauf Wert legen, achtsamer zu sein. Nur einmal im Jahr ist diese wunderbare Zeit der Besinnlichkeit, in der wir in uns gehen, uns sammeln, bestenfalls zur Ruhe kommen können und christliche Traditionen pflegen . Führen Sie doch z.B. manche Ihrer weihnachtlichen Aktivitäten unter voller Achtsamkeit durch: Packen Sie ein Geschenk an Ihre Liebsten ein, und achten dabei auf das Knistern des Papiers, das Gefühl der weichen Schleife, wenn Sie sie über dem zusammengefalteten Papier verknoten und das warme Gefühl der Vorfreude auf das glückliche Gesicht des Beschenkten, sobald Sie das fertige Geschenk in Ihren Händen halten. Nehmen Sie das Leben war als eine Abfolge unzähliger winziger Momente und Wahrnehmungen, die alle bewusst genossen werden können. Stellen Sie es sich vor wie eine Collage aus tausenden wunderbaren Schnipseln. Wer achtsam durchs Leben geht, der geht positiver durchs Leben. Gerade in der Weihnachtszeit bietet es sich an, damit zu beginnen!

Wir wünschen Ihnen achtsame und besinnliche Weihnachten und ein fröhliches neues Jahr 2019,

Prof. Dr. Pamela Luckau & das Mentalkompass-Team

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