Pamela Luckau: lesen

Neulich mit dem Klienten ...

Zeit

Lässt sich Zeit in eine Schubkarre packen? Haben Wohlgefühle im Anblick eines Sonnenuntergangs oder einer Herde Zebras einen Sekundentakt? Die rasche Verneinung dieser Fragen lädt zu einer Betrachtung ein, was der Begriff ›Zeit‹ eigentlich beschreibt.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Schon mit dem Erfinden ›der Zeit‹ als Methode zur gemeinsamen Verständigung über Tageszeitpunkte war klar dass das nicht identisch ist mit ›der gelebten Zeit‹. Im Griechischen bieten die beiden Begriffe chronos für das Ablesen der Zeit mithilfe der Uhrzeiger und kairos für die gefühlte oder die gelebte Zeit eine hilfreiche Unterscheidung, was genau mit dem Begriff der Zeit eigentlich beschrieben ist. Interessanterweise ist vielen diese Unterscheidung nicht oder nur wenig bewusst. Das kann verschiedenste Gründe haben: Die persönliche Belastung durch Verpflichtungen in allen Lebensbereichen ist subjektiv so hoch, dass im Sinne des eigenen Überlebens jede Tat darauf überprüft wird, ob sie nicht auch in kürzerer Zeitspanne zu erledigen ist. Mehr schaffen in weniger Zeit! Nicht nur hilfreiche Apps zur Organisation von Einkaufslisten zeigen in diese Richtung sondern auch die Idee, die einstmals gesellschaftliche akzeptierte Trennlinie zwischen Beruf und Privatleben zugunsten der Gleichzeitigkeit doch aufzugeben. Treffendes Beispiel: Geschäfte, in denen alle schon abgewogenen und küchenfertigen Zutaten für das Abendessen gleich mit dem passenden Wein und der Serviette zum Kauf angeboten sind. Die chronos-Zeit verkürzt sich damit auf ein Minimum, aber wo ist der kairos, frische Zutaten ausgewählt oder den Geruch des Weines als Kriterium geprüft zu haben? Im Gegensatz dazu können Menschen, die schwärmerisch und ausschweifend in allen Details begeistert über den letzten Theaterbesuch berichten, dem vermeintlich effizienten Zeitgenossen den letzten Nerv rauben, frei nach dem Motto, was geht mich das an?

Wie sind Sie denn so orientiert in der Betrachtung der Zeit? Eher pro mehr Schaffen oder eher pro gute Gefühle haben? Einer meiner liebsten Sätze in jedem Coaching ist die Feststellung, dass es bei dieser Frage eben nicht um ›das Richtige‹ geht oder um gut oder schlecht sondern sie uns eher zu der Überlegung einlädt, welchen Platz chronos und kairos an einem typischen Tag im Leben meiner Klienten haben. Die Betrachtung der eigenen Lebenszeit sehr alter Menschen schafft eine alternative Perspektive: In deren Empfinden bekommen gute Gefühle und liebe Erinnerungen oder Traurigkeit im Erinnern einschneidender Erlebnisse den prominenten Platz – und weniger die Frage wann genau sich was genau in welcher Reihenfolge ereignet hat. Wird der kairos also mit der zunehmenden Lebenserfahrung wichtiger? Ist die chronos-Orientierung die Logik des persönlichen und beruflichen Aufstiegs als Voraussetzung für den darauf gründenden gefühlten Lebensgenuss? Coaching bedeutet für mich, meine Klienten auf ihre Ziele hin zu begleiten. Bedeutungsvoll ist dann die Frage, ob die tägliche Balance zwischen kairos und chronos Folge einer bewussten Entscheidung ist oder ob es eben einfach ›passiert‹. Vielleicht hilft Ihnen das Nebeneinanderstellen der beiden Zeiten um sodann für sich zu entscheiden, wo die (stündliche) Priorität liegt.

Top